Modellieren für saubere Gewässer

In deutschen Flüssen und Seen ist zu viel Phosphat, das schadet den Ökosystemen. Deutschland will die Orientierungswerte bis 2027 in allen Gewässern einhalten. Ein Simulationsmodell aus Jülich hilft dabei.

Über Düngemittel und über Kläranlagen geraten jährlich rund 25 000 Tonnen Phosphor in deutsche Flüsse und Bäche. Das hat Folgen: Laut Umweltbundesamt sind die Konzentrationen an mehr als der Hälfte aller Messstellen in Deutschland zu hoch. Bereits geringfügige Mengen des Nährstoffs reichen aus, um Pflanzen zum Wachsen zu stimulieren – ein Gramm kann beispielsweise rund 100 Gramm Algen aufbauen, was mitunter zu erheblichen ökologischen Probleme führt, etwa zu einem schwankenden Sauerstoffgehalt, der Fische und Kleinlebewesen bedroht.

Zwar ist die Phosphatkonzentration besonders in den 1980er und 1990er Jahren bereits deutlich zurückgegangen, weil man Kläranlagen technisch aufgerüstet hat und etwa für Wasch- und Reinigungsmittel Höchstmengen für Phosphat festgelegt wurden. Aber das reicht noch nicht. Die Phosphorbelastung trägt dazu bei, dass derzeit mehr als 90 Prozent der deutschen Oberflächengewässer in einer schlechten ökologischen Verfassung sind. Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der Europäischen Union sieht allerdings vor, dass bis 2027 alle in einem „guten Zustand“ sein sollen.

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Der Jülicher Wissenschaftler Dr. Björn Tetzlaff entwickelte bereits vor rund 15 Jahren ein Modell, um die Phosphatbelastungen von Oberflächengewässern und deren Ursachen zu bestimmen.
Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Die Wege des Phosphors aufdecken

„Um die Phosphatkonzentrationen in allen Regionen zu bestimmen, reichen Messstellen alleine allerdings nicht aus“, erklärt Dr. Björn Tetzlaff vom Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG-3). Mit dem Modell MEPhos hat er bereits vor rund 15 Jahren ein Werkzeug entwickelt, um die Phosphatbelastungen von Oberflächengewässern und deren Ursachen zu bestimmen. Es kann genau berechnen, von welchen Quellen die Phosphatbelastung in einem bestimmten Flussabschnitt herrührt und über welchen Weg der Nährstoff dorthin gelangte. In Hessen und Schleswig-Holstein wird das stetig weiter optimierte Modell seit nunmehr zehn Jahren verwendet. Mittlerweile kommt es in neun Bundesländern sowie auf Bundesebene zum Einsatz.

Als Berechnungsgrundlage für MEPhos dienen Geodaten über Boden, Gestein, und Relief sowie Klimadaten und Messwerte zu Phosphateinträgen. In der Regel stammt der Großteil des Phosphats aus Abwasser von Kläranlagen oder dem Düngemitteleinsatz der Landwirtschaft. Daneben gibt es weitere Quellen, etwa Industrieanlagen oder auch natürliche, wie phosphathaltiges Gestein (siehe Grafik). Um zu prüfen, wie gut die Modell-Berechnungen mit der Realität übereinstimmen, vergleichen die Forschenden die simulierten Phosphatwerte mit denjenigen der Messstellen in Flüssen und Bächen.

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In einem Flusseinzugsgebiet mit unterschiedlicher Landnutzung gelangt Phosphat aus verschiedenen Quellen in den Fluss. Generell unterscheidet die Forschung hierbei zwischen punktuellen und diffusen Quellen. Ein einzelnes Abwasserrohr, etwa von einem Klärwerk oder einer Industrieanlage, liefert beispielsweise einen punktuellen Eintrag, da sich der Standort präzise benennen lässt. Gibt es keinen klar definierten Ursprungsort, werden die Quellen als diffus bezeichnet. Darunter fällt beispielsweise überschüssiger Dünger, der durch Regenwasser von den Feldern ausgeschwemmt wird. Die Nährstoffe werden entweder direkt in die Flüsse gespült oder versickern in den Boden und wandern dort über den sogenannten Zwischenabfluss oder über landwirtschaftliche Dränagen in die Flüsse. Ein Teil gelangt mit der Zeit sogar bis ins Grundwasser. Auch aus Gestein kann sich Phosphat lösen und dann auf diese Weise im Wasser verteilen. „Punktquellen sind im Allgemeinen der Abwasserwirtschaft zuzuordnen, diffuse Quellen hingegen der Landwirtschaft oder der Natur“, fasst der Jülicher Wasserexperte Björn Tetzlaff zusammen. Über ganz Deutschland gemittelt liefern diffuse und punktförmige Quelltypen jeweils rund die Hälfte der Gesamtmenge der jährlichen Phosphateinträge. In das von Tetzlaff entwickelte Modell MEPhos fließen alle diese Einträge und etliche weitere Parameter wie Eigenschaften der Landschaft ein. Mit ihm lässt sich die Phosphatkonzentration im Wasser simulieren – und zwar nicht nur insgesamt, sondern für einzelne Abschnitte eines Gewässers. Dank dieses feinen Rasters können die Forschenden bestimmen, auf welchen Wegen der Stoff von welcher Quelle in einen bestimmten Flussabschnitt hingelangt ist, und zielgerichtete Maßnahmen vorschlagen.
Forschungszentrum Jülich/SeitenPlan

Regionale Unterschiede

Für das Bundesland Hessen ergaben die Simulationen, dass die kommunalen Kläranlagen insgesamt den größten Anteil an den Phosphatbelastungen der Oberflächengewässer haben. „Dort ist das also die mit Abstand wichtigste Schraube, an der gedreht werden müsste“, erklärt Tetzlaff. Allerdings gebe es deutliche regionale Unterschiede, weshalb es in einigen Landkreisen Hessens nicht ausreiche, nur Kläranlagen zu verbessern. Ein Grund, weshalb der Jülicher Forscher davor warnt, Ergebnisse pauschal zu übertragen – etwa von einem Bundesland auf ein anderes oder gar auf die gesamte Bundesrepublik. In Schleswig-Holstein zum Beispiel sieht die Situation ganz anders aus als in Hessen. Berechnungen mit MEPhos zeigten, dass dort landwirtschaftliche Quellen die ausschlaggebende Rolle spielen. „Hier muss man die Bauern in die Pflicht nehmen“, meint der Experte. Trotzdem solle man natürlich auch alte Kläranlagen technisch aufrüsten, sofern sie in einem Flussabschnitt eine signifikante Phosphatquelle darstellen.

Einsparung berechnet

Mithilfe eines kombinierten Modellsystems bestehend aus MEPhos und dem Modell GROWA – das ebenfalls Jülicher Forschende entwickelt haben und das den gesamten Wasserhaushalt einer Region betrachtet – lässt sich die Phosphatverteilung noch detaillierter auflösen. Die so für Schleswig-Holstein erstellte Karte zeigt, dass die Phosphatbelastung in mehr als der Hälfte der analysierten Gebiete zu hoch war (siehe Abbildung). „Wir konnten mit der Analyse Emissionsquellen aufzeigen und berechnen, um wie viel der Phosphateintrag gemindert werden muss, um bestimmte Zielkonzentrationen in Flüssen oder Seen zu erreichen“, sagt Tetzlaff. Den Berechnungen zufolge sollten in Schleswig-Holstein insgesamt jährlich 269 Tonnen Phosphor weniger in die Gewässer gelangen, um die EU-Werte einzuhalten. Das würde etwa einem Drittel der jetzigen Gesamtemission entsprechen.

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Phosphatbelastung in Schleswig-Holstein: In den farbigen Gebieten wird der zulässige Orientierungswert der Wasserrahmenrichtlinie für Phosphat überschritten. Mit dem Modell MEPhos konnten die Jülicher Forschenden feststellen, welche Quelle für die zu hohen Phosphatwerte vorrangig verantwortlich ist – in Schleswig-Holstein ist das in den meisten Landesteilen die Landwirtschaft. Solche Informationen helfen den Behörden, zielgerichtete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. In den weißen Landesteilen liegt die Konzentration des Stoffs unterhalb des Orientierungswerts.
FZJ / MEL / LLUR

Hinweise, an welchen Stellen Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerqualität ergriffen werden sollten, sind gefragt. Regelmäßig wird die Jülicher Wasser-Expertise von Bundesländern und Bundesumweltministerium angefragt. Und langfristig sollen mit Hilfe von MEPhos bundesweite Daten für die Phosphatbelastung ermittelt werden. „Unser Modell unterstützt die Behörden dabei, die vorgegebenen Umweltqualitätsziele der WRRL zu erreichen“, freut sich Tetzlaff. Manchmal beginnt Umweltschutz eben am Computer.

Janosch Deeg

Beteiligte Institute:

Institut für Bio- und Geowissenschaften - Agrosphäre (IBG-3)

Letzte Änderung: 05.03.2023