„Polymere Feststoffbatterien könnten in E-Flugzeugen zur Anwendung kommen“

13. April 2023

Feststoffbatterien gelten als Hoffnungsträger in der Batterieforschung, da sie gegenüber herkömmlichen flüssigen Elektrolyten unter anderem höhere Energiemengen speichern können und schneller zu laden sind. Abteilungsleiter für Methodik und Elektrolytforschung PD Dr. Gunther Brunklaus vom Helmholtz-Institut Münster (HI MS; IEK-12) des Forschungszentrums Jülich erklärt in einem Interview, warum er einen besonderen Fokus auf polymere Feststoffelektrolyte legt, was vor der Marktreife noch zu tun ist und welche Anwendungen für Feststoffbatterien in Aussicht stehen.

Welche Hoffnungen werden aktuell in Bezug auf Feststoffbatterien diskutiert, wo liegen ihre Potenziale?

Gunther Brunklaus: Eine Hoffnung besteht vor allem darin, dass in Feststoffelektrolyten mit vergleichbaren Materialmengen höhere Energiemengen speicherbar sind als in herkömmlichen Batteriesystemen mit flüssigem Elektrolyten. Damit können beispielsweise in mobilen Anwendungen höhere Reichweiten erzielt werden. Wobei weniger Material auch einen geringeren CO2-Ausstoß in der Produktion bedeutet, zudem ist perspektivisch ein schnelleres Laden möglich als mit flüssigen Elektrolyten.

Warum können höhere Energiemengen gespeichert werden?

Brunklaus: Es können beispielsweise andere Anodenmaterialien wie Lithium-Metall eingesetzt werden, das gegenüber den oft verwendeten Graphit-Anoden beträchtlich höhere spezifische Kapazität ermöglicht. Auch auf der Kathodenseite gibt es die Möglichkeit, Materialien zu nutzen, die bisher mit flüssigen Elektrolyten nicht langfristig funktioniert haben. In Anwendungen wie Herzschrittmachern und smarten Uhren werden Feststoffbatterien übrigens bereits heute eingesetzt.

„Polymere Feststoffbatterien könnten in E-Flugzeugen zur Anwendung kommen“
PD Dr. Gunther Brunklaus
HI MS / Leonie Ellermann

Bei diesen Anwendungen fällt einem direkt das Thema Sicherheit ein. Gibt es hier ebenfalls Vorteile?

Brunklaus: Ja. Zum einen kann auf leicht flüchtige, flüssige Materialien verzichtet werden. Dadurch sinken das Risiko einer etwaigen Selbstentzündung sowie die allgemeine Brandlastgefahr, da flüssige Komponenten beispielsweise bei einem Unfall schneller austreten und Kurzschlüsse in den Zellen verursachen können als feste Komponenten. Bei mechanischen Tests mit Nageleinwirkung auf Batteriezellen konnte sogar gezeigt werden, dass einzelne polymere Feststoffe sehr sicher sind, da sie mitunter selbstheilende Eigenschaften haben. Sie können den Brandherd durch chemische Reaktionen isolieren und so das Feuer stoppen, wobei die Batteriezelle weiter im Betrieb belieben kann. Zum anderen können Sicherheitsaspekte bei der Auswahl von Elektrodenmaterialien, die für flüssige Elektrolyte nicht in Frage kommen, berücksichtigt werden.

Für welche weiteren Anwendungen sind Feststoffbatterien denkbar?

Brunklaus: Vorweg möchte ich sagen, dass es die eine ideale Zellchemie für alle möglichen Anwendungen nicht gibt. Jede Anwendung bietet eigene Herausforderungen, daher haben verschiedene Lösungen ihre Berechtigung. Feststoffe bieten sich, neben der bisherigen Anwendung im medizinischen Bereich und in smarten Uhren, für Fahrzeugbatterien im Rahmen der Elektromobilität an, zur Nutzung in stationären Energiespeichern, beispielsweise als Pufferkapazität bei der erneuerbaren Energiegewinnung, sowie auch für Mobiltelefone und Werkzeuge. Polymer-basierte Batteriezellen sind dabei bereits heute in Verwendung, zum Beispiel in elektrifizierten Bussen. Fahrzeugbatterien sollten leicht und schnell zu laden sein, wohingegen stationäre Speicher eine langsamere Ladegeschwindigkeit haben dürfen. Hier sind andere Eigenschaften gefordert, zum Beispiel günstige und umweltschonende Produktion. Bei Mobiltelefonen ist ein Kompromiss aus schnellem Laden und einer hohen Ladekapazität auf kleinem Raum gefragt.

Welchen Forschungsschwerpunkt setzen Sie aktuell in Ihrer Abteilung?

Brunklaus: Wir entwickeln Methoden, um Ladungstransferprozesse oder andere chemische Prozesse, die der Langlebigkeit oder der Funktionsweise der Batterie entgegenwirken, besser zu verstehen. Dazu zählen elektrochemische Impedanzspektroskopie und Methoden der Magnet-resonanz. Das alles zusammen hilft uns, verschiedene Zelldesigns zu entwickeln, die jeweils eigene Anwendungsoptionen eröffnen. Am Standort Münster des HI MS konzentrieren wir uns zudem stark auf die Herstellung und Optimierung polymerer Elektrolyte und Schutzschichten.

Was können Polymerelektrolyte im Gegensatz zu anderen Feststoffen leisten?

Brunklaus: Sie bieten den Vorteil, dass sie formflexibel sind und beispielweise als sogenannte Strukturbatterie in der Luftfahrt zur Anwendung kommen könnten. Denkbar wäre, sie in die Wand eines E-Flugzeugs einzubauen. Polymere haben durch ihre chemische Variabilität praktisch ein unbegrenztes Reservoir verschiedener Strukturen und funktioneller Gruppen und bieten damit zahlreiche Optionen zu Anpassung an geforderte Eigenschaften etwaiger Anwendungen. Feste keramische Elektrolyte hingegen könnten in einem Flugzeug brechen. Die fließfähigen Eigenschaften der Polymere dienen sozusagen dazu, etwaige Lücken im Batteriezellsystem zu füllen, die beispielsweise poröse Elektroden aus Kohlenstoff oder Schwefel-Kohlenstoff-Verbundmaterial aufweisen. Ungenutzte Volumina und hohe Ladungstransfer-Widerstände werden so vermieden.

Was sind die größten Herausforderungen, die Ihnen in der Entwicklung von Polymerelektrolyten begegnen?

Brunklaus: Da gibt es zwei große Baustellen. Zum einen muss die ionische Leitfähigkeit – wichtig für hohe Leistung und schnelles Laden – weiter erhöht werden. Die makroskopische Leitfähigkeit des Hauptelektrolyten ist hier allerdings nicht allein entscheidend, sondern speziell die Ladungstransferdynamik an den Grenzflächen zur Elektrode, die hohe Ströme bei Schnellladung der Zellen ermöglichen muss. Zum anderen muss das Material für bestimmte Anwendungen, beispielsweise stationäre Speicher, in den Kilogrammbereich kosteneffizient aufskaliert werden ohne an Qualität einzubüßen, zudem müssen Prozesse zur Verarbeitung der Materialien bei der Zellherstellung angepasst werden. Perspektivisch werden fließfähige Komponenten wie kürzerkettige Oligomere im Bereich der Kathode notwendig sein, um hohe Stromdichten zu verwirklichen. Um diese vielen Baustellen zu bearbeiten, bedarf es der Kooperation über verschiedene Standorte hinweg.

Welche Kooperationen bestehen?

Brunklaus: Im Rahmen des BMBF-Kompetenzclusters FestBatt kooperieren zum Beispiel das Helmholtz-Institut Münster, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Helmholtz-Institut Ulm (HIU), sowie die Universität Duisburg-Essen und andere namhafte Forschungseinrichtungen, um wissenschaftliche und technische Lösungen für Festkörperbatterien zu entwickeln. Es geht darum, sozusagen die Polymerwelt sowie die Bereiche anderer Materialklassen aufzuspannen und im Sinne der Anwendungsoptionen möglichst viele Varianten an Batteriezellsystemen zu realisieren. Dazu bringen wir unsere Materialkompetenzen in den Bereichen Polymere, Hybride, Keramiken, Zelldesign und Analytik zusammen. Auch die Kopplung von Theorie und Experiment ist unverzichtbar und wird durch unsere Kooperationen gestützt. Die praktischen makroskopischen Methoden werden beispielsweise sehr gut durch Computer-Simulationen im mikroskopischen Bereich ergänzt, dies schließt auch Ansätze des „Machine Learning“ mit ein.

Aktuelle Publikationen des Helmholtz-Instituts Münster zu Feststoffbatterien:

Macromolecular Rapid Communications, 2022, 43, 2200335, DOI: 10.1002/marc.202200335

ACS Applied Materials & Interfaces, 2022, 14, 53893-53903, DOI: 10.1021/acsami.2c16869

ACS Applied Materials & Interfaces, 2022, 14, 53636-53647, DOI: 10.1021/acsami.2c13408

Journal of Power Sources, 2022, 538, 231528, DOI: 10.1016/j.jpowsour.2022.231528

ACS Applied Materials & Interfaces, 2022, 14, 5211-5222, DOI: 10.1021/acsami.1c19097

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  • Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK)
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Letzte Änderung: 13.04.2023