Herausforderung Welternährung

Klos, Kocher und Kompost

Fruchtbare Böden, mehr Nahrung: Katharina Prost will mit ihrem Start-up ClimEtSan den äthiopischen Alltag verändern – und das Klima schützen.

Katharina Prosts Geschäftsformel? Könnte man mit dreimal K beschreiben: Klos, Kocher und Kompost. Die Bodenkundlerin baut gerade in Äthiopien ein Unternehmen auf. Ihre Doktorarbeit schrieb sie seinerzeit noch über Biomarker in archäologischen Proben. „Doch das war mir auf Dauer zu weit weg von den aktuellen Problemen der Welt.“

Die Welternährung ist so ein aktuelles Problem: Ungefähr 768 Millionen Menschen waren im Jahr 2021 von Hunger betroffen. Besonders ernst ist die Lage in Afrika. Es sind nicht nur politische Konflikte, die die Ernährungssicherheit in vielen Ländern des Kontinents gefährden. Auch Klimawandelfolgen tragen dazu bei. Dürren und andere Wetterextreme bedrohen zugleich zahlreiche wirtschaftliche Existenzen vor Ort. Denn laut Welthungerindex sind rund 85 Prozent der äthiopischen Bevölkerung in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft tätig.

Ein ökologischer und effektiver Dünger

„Wie könnten wir die Situation für diese Menschen verbessern?“, fragt sich Prost. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen am Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften entwickelt sie eine Idee für eine lokale Kreislaufwirtschaft, die die Erträge von Kleinbauern steigern und gleichzeitig Umwelt und Klima schonen könnte. Der Kreislauf fängt im wahrsten Sinne des Wortes am Ende der Ernährung an – beim Stuhlgang. Und so funktioniert er: In Trockentoiletten werden menschliche Exkremente gesammelt und gemeinsam mit Stroh und Gemüseabfällen kompostiert. Um den Prozess zu beschleunigen, kommt Pflanzenkohle hinzu, die wiederum aus Lehm-Kochöfen gewonnen wird. Das Ergebnis ist ein potenter Dünger für die Felder.

Auf diese Weise gehen Prost und ihr Team gleich zwei Probleme an: Erstens sind viele Böden in Äthiopien ausgelaugt, mineralischer Dünger aber ist teuer und für die meisten Bauern unerschwinglich. Das menschliche Düngemittel ist günstig und effektiver als Tiermistes – es bietet so die Möglichkeit, Ackerland fruchtbarer zu machen.

Willkommener Nebeneffekt: Bessere Luft und weniger Rodung

Ein willkommener Nebeneffekt: „Indem die Fäkalien kompostiert werden, werden Pathogene abgetötet und gleichzeitig weniger Treibhausgase freigesetzt“, erklärt Prost. Zweitens kochen äthiopische Familien traditionell über offenem Feuer. Das braucht viel Holz, raucht stark und bläst Feinstaub in die Luft. Die Lehmöfen dagegen brennen fast rauchfrei und sie brauchen 60 Prozent weniger Holz. Das bedeutet, dass weniger Menschen an der Luftverschmutzung in Küchen sterben und weniger Bäume gefällt werden müssen – ebenfalls gut für Menschen und Klima!

"Das ist meine Chance, die Welt für die Generation meiner Tochter ein Stück besser zu machen."

Dr. Katharina Prost
Gründerin


ClimEtSan On The Ground: Das Start-up rund um Katharina Prost

Soweit die Theorie. Doch klappt’s in der Praxis? Ab 2017 erproben die Forscher:innen ihren Ansatz direkt in Äthiopien zusammen mit äthiopischen Kolleg:innen, unter anderem auf einer Versuchsfarm auf dem Campus der Universität Hawassa im Süden des Landes sowie an Standorten in der Hauptstadt Addis Abeba. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Trotzdem läuft das Projekt 2021 ohne Anschlussförderung aus. Doch aufzuhören, kommt für Katharina Prost nicht in Frage. Sie gründet das Startup ClimEtSan On The Ground, das auf den gewonnenen Erkenntnissen aufbaut, und macht weiter.

Jülicher Spin-offs und ihre Technologien

Um wirklich etwas zu verändern, bezieht Prosts Unternehmen die lokale Bevölkerung vor Ort aktiv mit ein. Bauern zu helfen, auf ökologische und ertragreichere Landwirtschaft umzustellen, ist dabei nur ein Baustein. So unterstützt Prost unter anderem Frauen, die mit den Trockentoiletten Sanitäranlagen betreiben. „Damit sich das lohnt, helfe ich beim Aufbau eines dazugehörigen Kleingeschäfts, etwa einer Saftbar“, sagt sie. Familien, denen sie die holzsparenden Kochöfen verkauft, kauft Prost späterdie gewonnene Pflanzenkohle wieder ab. Und sie engagiert sich für die Aufforstung der Wälder vor Ort. Finanzieren soll sich das Ganze langfristig auch über den Verkauf von CO2-Zertifikaten.

Nachhaltige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen im Fokus

Das Konzept der Firma erreicht nach eigener Aussage 14 der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. „So haben wir nicht nur einen positiven Einfluss auf das Klima, sondern auch auf die Umwelt und die Lebensbedingungen im Partnerland.“ Es ist eine Chance, die Welt ein Stück besser zu machen – Kocher für Kocher, Klo für Klo.

www.climetsan-ontheground.de

Bildquelle: Katharina Prost
Redaktion: SeitenPlan

Produktive Mikgroben

Auch die Jülicher Ausgründung SenseUp beschäftigt sich mit dem Thema Ernährung. Das Team um Georg Schaumann hat Technologien entwickelt, die die Produktion von Nahrungs- und Lebensmitteln revolutionieren sollen.

Georg Schaumann über Unternehmensgründungen im Rheinischen Revier

Dabei setzen die Forscher:innen auf die Hilfe von Bakterien. Die Mikroorganismen können nämlich Grundbausteine herstellen, die für eine ganze Reihe von Produkten benötigt werden – von Proteinen bis hin zu RNA. Aktuell arbeitet SenseUp an RNA-Wirkstoffen aus der Mikrobenfabrik, die unter anderem zur biologischen Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft eingesetzt werden.

Klos, Kocher und Kompost

Als Pflanzenschutzmittel wirkt RNA zielgerichtet und belastet weder Böden, noch Grundwasser. Eine nachhaltige Alternative zur Chemiekeule oder dem Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen!

Warum aber Mikroben die RNA produzieren lassen? Ganz einfach: Das Verfahren lässt sich leicht anpassen, ist kostengünstig und ermöglicht so effizientere Herstellungsprozesse im Tonnenmaßstab.

Senseup Biotech: Webseite besuchen


Bild: Philana van Summeren-Wesenhagen, Fabio Paltenghi, Georg-Schaumann (v.r.) - Senseup Biotech
Redaktion: Seitenplan

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Letzte Änderung: 01.08.2023